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E Das jüdische Lehrlingsheim

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Die Mühlenstraße 24 ist heute ein Jugendclub. Zuvor war hier eine Bibliothek, an die sich noch viele Pankower*innen erinnern. Noch weiter zurück, das heißt bevor die Nazis das Gebäude 1939 räumten, war es jedoch für einige Jahrzehnte ein jüdisches Lehrlingsheim – also eine handwerkliche Ausbildungsstätte, in dem ärmere Jugendliche auch wohnen konnten. Das Heim kooperierte mit Berliner Handwerksbetrieben.

Im 17. und 18. Jahrhundert zeigten sich mancherorts die ersten Verbesserungen für die Situation der Juden in Europa, die von den Handwerkszünften zum Beispiel lange Zeit ausgeschlossen wurden. Im 19. Jahrhundert führten diese Verbesserungen schließlich zur gesetzlichen Gleichstellung der Juden, zunächst in Preußen, und dann 1871 im Deutschen Reich. Auf dieser Grundlage konnten schließlich auch jüdische Lehrlingsheime errichtet werden.

Info

Jungen jüdischen Knaben eine gediegene handwerkliche Ausbildung zu vermitteln war Anliegen der 1813 gegründeten „Gesellschaft zur Verbreitung der Handwerke und des Ackerbaues unter den Juden im Preußischen Staate“. In Berlin führte dieses Bemühen im Oktober 1891 zum Aufbau eines ersten jüdischen Lehrlingsheims in der Pankower Mühlenstraße 1. In unterschiedlichsten technischen und kunsthandwerklichen Berufen qualifizierten sich bis zu 15 Lehrlinge. Leiter der Einrichtung war der Lehrer Michael Max Wilinski. Der steigende Ausbildungsbedarf machte ein neues Objekt für die Unterbringung und Unterrichtung einer größeren Anzahl von Lehrlingen erforderlich. Mit Hilfe von Sammlungen und Spenden wurde das Grundstück Mühlenstraße 24 (damals Nr. 20) erworben und der Architekt Mirauer, in der baulichen Gestaltung und durch großzügige Spenden von Maurermeister Joseph Fraenkel unterstützt, mit dem Bau eines neuen Hauses beauftragt. Träger war der im März 1896 gegründete „Verein Lehrlingsheim Pankow“. Am 17. Mai 1896 wurden Internat und Lehrstätte eingeweiht.

Das rote Backsteingebäude und die Flachbauten im Garten hinter dem Haus beherbergten Lehrwerkstätten für Tischler, Schneider und Schuster. Die Ausbildung in einer Vielzahl anderer Handwerksberufe erfolgte in größtenteils jüdischen Berliner Betrieben. Langjähriger Direktor des Lehrlingsheims war von 1906 bis 1936 Oscar Israel. Im Sommer 1935 wurde zusätzlich

ein jüdisches Jugendwohnheim zur Betreuung von sozial gefährdeten Jugendlichen im Alter von 14 bis 21 Jahren integriert, um ihnen die Erlernung eines Handwerks zu ermöglichen. Als getrennte Heime, doch unter gemeinsamer Verwaltung, war die Bezeichnung für die Mühlenstraße 24 dann offiziell „Jüdisches Jugendwohn- und Lehrlingsheim“. Ein Raum im zweiten Obergeschoß des Gebäudes war bereits 1896 als Synagoge ausgestaltet worden, die insbesondere zu den Gottesdiensten an hohen jüdischen Feiertagen auch von der jüdischen Bevölkerung aus der Pankower Umgegend besucht wurde. Diese Möglichkeit bot auch der Betsaal im jüdischen Waisenhaus. Im Dezember 1939 wurde das Haus zwangsgeräumt und die Insassen vertrieben,

um der Nazipartei, der NSDAP, und dem Amt für Volkswohlfahrt Platz zu machen. Einige der Lehrlinge und Ausbilder konnten emigrieren, andere versuchten, illegal zu überleben, oder sie kamen in Konzentrationslagern ums Leben. Nach Kriegsende, im Juni 1945, zog die Pankower Bezirksbibliothek in das Haus, das später nach Ion Luca Caragiale, einem bedeutenden rumänischen Literaten (1852-1912), benannt wurde. Im Jahr 2008 wurde hier der Jugendklub "M24" eröffnet. Die Bibliothek fand neue Räume im ehemaligen jüdischen Waisenhaus. Am Gebäude befindet sich seit 1996 eine Gedenktafel für das ehemalige Lehrlingsheim.

Bild 1 – Die Caragiale Bibliothek 1996, mit Tafel zur Erinnerung an das jüdische Lehrlingsheim
Bild 1 – Die Caragiale Bibliothek 1996, mit Tafel zur Erinnerung an das jüdische Lehrlingsheim